Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen





Buchhinweis














Bibliographische Angaben:

LEONIE SCHÖLER: Beklaute Frauen. DENKERINNEN, FORSCHERINNEN, PIONIERINNEN: DIE UNSICHTBAREN HELDINNEN DER GESCHICHTE. 4 Penguin Verlag. München 2024. ISBN 978-3-328-60323-8




ZUM BUCH:

Die Autorin formuliert in der Einleitung den im Buchtitel prägnant zusammengefassten wichtigsten Susgangspunkt ihrer Überlegungen so:

Wir alle kennen die Narrenweisheit: »Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.« Ich finde diese Aussage ziemlich überholt, weil sie genau die ausbeuterische Rolle romantisiert, die Frauen in der Vergangenheit zugedacht wurde: im Hintergrund dem Mann den Rücken freihalten, ihn in seinem Vorankommen unterstützen und sich

dabei bloß nicht beklagen, sondern noch dankbar sein dafür,

ohne Anerkennung als verlängerter Arm fungieren zu müssen. Und doch ist an dem Spruch zugegebenermaßen einiges dran, und zwar ganz buchstäblich. Denn hinter sehr vielen erfolgreichen Männern der Geschichte standen tatsächlich Frauen, oft auch mehrere, ohne die diese Männer niemals so erfolgreich geworden wären. Diese Rolle haben sich jedoch die wenigsten Frauen ausgesucht, und viele von ihnen sind daran zerbrochen, sich von ihrem Schattendasein nicht befreien zu können. Ich hoffe deshalb sehr, dass ich ihnen mit diesem Buch zumindest einen Teil ihrer Stimme zurückgeben kann und dazu beitrage, dass sie rückwirkend die Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten, die sie zu Lebzeiten verdient hätten.

Ich möchte aber auch deutlich machen, dass es in den folgenden Kapiteln grundsätzlich nicht um Einzelschicksale geht, sondern um das System, das dahintersteckt. Der Spruch von eben müsste nämlich eigentlich heißen: ‘Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält.’“ (S. 18 f.)

 

Zu Ihrem Ansatz formuliert sie: „In meiner Arbeit ist es mir zudem ein Anliegen, die Vergangenheit vor allem aus der Perspektive derjenigen zu erzählen, die in der männlich-eurozentrisch geprägten Geschichtsschreibung lange Zeit keinen Platz hatten: Frauen, queere Personen, People of Color und andere Minderheiten. Ich verstehe diesen Ansatz als Korrektiv, denn die Darstellung, dass nur Einleitung 17 weiße* Männer Dinge von Bedeutung getan, gesagt oder gedacht haben, stimmt einfach nicht – und doch prägt dieses Narrativ unsere Wahrnehmung von Geschichte enorm.“ (S. 16 f)

 

Die Inhaltsübersicht verdeutlicht die von der Autorin gewählten Zugänge.

 

 

INHALTSÜBERSICHT

 

EINLEITUNG

 

Kapitel eins (K)EINE BÜRGERIN

 

Der Fisch stinkt vom Kopfe her

Auf den Barrikaden: Frauen in den Revolutionen von 1848/49

 

Wer hat Angst vorm weißen Mann? »Rasse«, Klasse

und Geschlecht im nationalen Selbstverständnis

Frauen als Nicht-Bürgerinnen

 

Kapitel zwei ENDSTATION: EHE

Der Matilda-Effekt

Ungleiche Bündnisse zwischen Zusammenarbeitund Ausbeutung

Bis dass der Tod euch scheidet oder:

Wo blieb der Widerstand?

Die Lücke im System:

Warum zu heiraten sich für Frauen nicht lohnt

 

Kapitel drei KÜNSTLER WIRD MIT ER GESCHRIEBEN

Im Namen des Vaters und des Sohnes: Frauen als Familienangestellte

Berühmte Genies und ihre heimlichen Mitarbeiterinnen

Von der Muse geküsst oder: Können Frauen Kunst?

 

Kapitel vier OHNE AUSZEICHNUNG

Prestige und Macht: Wieso Rosalind Franklin keinen Nobelpreis hat

 

Unsichtbar gemacht: Wieso Lise Meitner keinen Nobelpreis hat

 

Machtgefälle: Wieso Jocelyn Bell Burnell keinen Nobelpreis hat

 

Eine Frage der Geschlechtertrennung

 

Kapitel fünf WIDERSTAND

Blutrünstige Amazonen oder: Die Furcht vor der kämpfenden Frau

 

Rote Huren, Soldatenflittchen und Frontschlampen: Frauen im Krieg

Erinnerungskultur ist Identitätspolitik

Wem nützt weißer Feminismus?

 

Kapitel sechs VERGESSEN UND AUSGELÖSCHT

Noch nie gehört: Frauen hinter männlichen Pseudonymen

Goethe, Lessing, Brecht und Co.: Bildung ist weiß und männlich

Noch nie gesehen: Das Phänomen der »Wiederentdeckten Frau«

Google mal CEO: Warum Algorithmen männlich denken

 

SCHLUSSWORT

zur Autorin (Verlagsinformation)

Leonie Schöler, geboren 1993, ist Historikerin, Journalistin und Moderatorin. Auf ihren beliebten TikTok- und Instagram-Kanälen (@heeyleonie) vermittelt sie spannendes Geschichtswissen und klärt ihre über 230.000 Follower*innen regelmäßig über die Vergangenheit und aktuelle politische Geschehnisse auf. Als Redakteurin und Filmemacherin mit Fokus auf Webvideos liefen ihre Recherchen bei diversen funk-Produktionen, unter anderem »Jäger und Sammler«, das »Y-Kollektiv« und »Auf Klo«. Im Sommer 2021 erschien ihre Dokumentation über das System Tönnies für ZDFinfo, im Januar 2022 ihre achtteilige Webvideoreihe zur Wannsee-Konferenz für das ZDF. Zudem moderierte Schöler ab November 2022 in ihrer Rolle als Historikerin das ZDFinfo-Format »Heureka« auf YouTube. Leonie Schöler lebt in Berlin. »Beklaute Frauen« ist ihr erstes Sachbuch.“

 

<Blick ins Buch:

https://content.penguinrandomhouse.de/content/edition/excerpts/1076175.pdf




Einordnung für die Bildungsarbeit

Dieses Buch bietet einen Blick auf die Rolle und Bedeutung von Frauen im Verlauf der Geschichte (bis heute), der in den gängigen Unterrichtsmaterialien eigentlich nicht vorkommt. Es geht um vorgegebene Denkmuster und Verhaltensweisen, die einfach übernommen werden. „Bezogen auf das Geschlecht nennt sich das in der Wissenschaft Gender Bias, oder auch: geschlechtsbezogener Verzerrungseffekt. Der beschreibt, dass sich sexistische Vorurteile und Stereotype so sehr auf unser Denken auswirken, dass sie unsere Wahrnehmung der Welt verzerren.“ (S. 12)

Für eine ersten Zugang in der Bildungsarbeit (ab ca. Klasse 10) könnte die folgende Formulierung im Blick auf eigene Fragestellungen untersucht und diskutiert werden: „Wir alle sind Teil einer Gesellschaft, die wir gemeinsam gestalten. Manche Menschen verfügen jedoch historisch gewachsen über deutlich mehr Ressourcen als andere, um sich Gehör zu verschaffen, eigene Interessen durchzusetzen und die gesellschaftlichen Regeln dadurch zum eigenen Vorteil mitzubestimmen.“ (S. 22)

Ich empfehle das Buch zur Anschaffung für die schulbibliothek an Schulen mit Sekundarstufe II.



Martin Geisz, Februar 2024