Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen




Buchhinweis


Stichworte: Philosophiegeschichte, Afrika,Kolonialismus












Bibliographische Angaben:

Anke Graneß: Philosophie in Afrika. Herausforderungen einer globalen Philosophiegeschichte. suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2390 Originalausgabe. Suhrkamp Verlag. Berlin 2023. ISBN 978-3-518-29990-6




ZUM BUCH:

Die Auseinandersetzung mit der Philosophie Afrikas (vom alten Ägypten über Westafrika ... bis zur afrikanischen Diaspora) trägt durchaus koloniale Züge. Kann die Philosophiegeschichtsschreibung einen Beitrag zur „Dekolonialisierung“ weit verbreiteter Vorstellungen leisten? Im Blick auf die Philosophiegeschichte Afrikas entwickelt Anke Graneß in diesem Buch Grundlinien einer Philosophiegeschichtsschreibung, die sich von der „klassischen Philosohiegeschichtsschreibung“ unterscheiden soll. Sie selbst formuliert: „Afrika wird in diesem Buch als Paradigma herangezogen, um die bisher überwiegend eurozentrische Philosophiegeschichtsschreibung unter den Bedingungen des 21.Jahrhunderts zu überdenken, zu kritisieren und zu kontextualisieren. Dass dafür auf die spezifische Problemlage und auf ausgewählte Beispiele eines Kontinents zurückgegriffen wird, der in der Philosophie der Gegenwart kaum eine Rolle spielt und in der Philosophiegeschichtsschreibung der letzten 200 Jahre keine Beachtung fand, mag verwundern. Afrika eröffnet jedoch als Forschungsfeld auf einer philosophiehistorischen Metaebene grundlegende methodische Fragen und Probleme, denen sich eine Philosophiegeschichtsschreibung in globaler Perspektive heute stellen muss, so die Hauptthese der vorliegenden Arbeit“ (S.9).

 

Das Inhaltsverzeichnis spiegelt die Schwerpunktsetzungen.

 

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1. Die Herausforderungen der Gegenwart . . . . . . . . . . . 11

2. Warum Afrika? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3. Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

4. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

5. Zu einigen Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

 

Kapitel 1 – Mechanismen des Ausschlusses gestern und heute

1.1. Philosophiegeschichtsschreibung

und Philosophiebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

1.2. Konsequenzen für Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

1.3. Mechanismen des Ausschlusses heute . . . . . . . . . . . . 75

 

Kapitel 2 – Bisherige Periodisierungs- und

Klassifizierungsmodelle der Philosophiegeschichte Afrikas

2.1. Der chronologische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

2.2. Unterteilung in eine vor-systematische

und eine systematische Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

2.3. Die Einteilung entlang von Sprachgrenzen . . . . . . . 90

2.4. Die Einteilung nach Strömungen . . . . . . . . . . . . . . 91

 

Kapitel 3 – Diskursraum Philosophie in Afrika . . . . . . . . . . 98

3.1. Was und wo ist Afrika? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

3.2. Was ist afrikanische Philosophie? . . . . . . . . . . . . . . . 109

3.3. Wer ist eine afrikanische Philosophin, wer ein

afrikanischer Philosoph? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

3.4. Was ist der ›Westen‹? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

 

Kapitel 4 – Der Kampf um den Anfang oder die Macht

des Ursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

4.1. Ursprungsdebatten in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

4.1.1. Die Entstehung der These vom Ursprung

im antiken Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

4.1.2. Weitere Ursprungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

4.2. Die »afrozentrische« These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

4.2.1. Cheikh Anta Diop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

4.2.2. Martin Bernal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

4.2.3. Théophile Obenga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

4.2.4. Maulana Karenga . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

4.2.5. Molefi Kete Asante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

4.2.6. Zur Kritik der afrozentrischen These . . . . . . . . . 187

4.3. Ursprung oder Ursprünge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

 

Kapitel 5 – Manuskripte aus dem Alten Ägypten

5.1. Das Konzept der Ma’at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

5.2. Die Lehre des Ptahhotep . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

5.3. Die Lehre des Ani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

5.4. Die Klagen eines Bauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

5.5. Das Gespräch eines Lebensmüden mit seinem Ba . . 250

5.6. Exkurs: Zur Stellung der Frau im Alten Ägypten . . . 260

5.7. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

 

Kapitel 6 – Philosophie in mündlichen Traditionen . . . . . . 267

6.1. Der Ursprung der Philosophie in der Oralität? . . . 272

6.2. Muntu – Philosophie in oralen Traditionen . . . . . . 290

6.3. Philosophische Feldarbeit: Die Weisheitsphilosophie 299

6.4. Philosophie in traditionellen Überlieferungen:

Sokrates und Òrunmìlà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

6.5. Konsequenzen für die

 

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

 

Kapitel 7 – Frühchristliche Texte in Nordafrika und Äthiopien

 

7.1. Gehören frühchristliche Texte in eine

Geschichte der Philosophie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

7.2. Verflechtungen oder: Die Bedeutung des Ortes . . . 353

7.3. Exkurs: Nubien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

7.4. Das Alte Äthiopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

7.4.1. Zur Geschichte und Schrift

des aksumitischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

7.4.2. Christliche Philosophie im Alten Äthiopien . . . . 378

7.5. Konsequenzen für

die Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 399

 

Kapitel 8 – Philosophie in Äthiopien im 17.Jahrhundert:

Von Fälschungen und Missdeutungen

 

8.1. Zär’a Yaqob und die Frage

nach der Authentizität von Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

8.1.1. Die Ḥatäta des Zär’a Yaqob . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

8.1.2. Die Ḥatäta des Waldä Heywat . . . . . . . . . . . . . . . . 412

8.1.3. Zur Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

8.1.4. Zur Authentizität des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . 419

8.1.5. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

8.2. Walatta Petros und die Aneignung

äthiopischer Texte im ›westlichen‹ Diskurs . . . . . . . . . . . 448

8.2.1. Das Leben der Walatta Petros (1592-1642) . . . . . . 448

8.2.2. Rezeption, Missdeutungen und der Umgang

mit Manuskripten aus anderen Traditionen . . . . . . . . . . 450

8.2.3. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

 

Kapitel 9 – Das 18.Jahrhundert: Europäische Expansion,

Rassismus und Philosophiegeschichtsschreibung

 

9.1. Afrikanische Intellektuelle

in Europa und Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476

9.1.1. Anton Wilhelm Amo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

9.1.2. Sklaverei oder Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488

9.2. Das Bild des Afrikaners bei Kant . . . . . . . . . . . . . . . 500

9.2.1. Zum Begriff ›Race‹ bei Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

9.2.2. Eine Wende in Kants Denken? . . . . . . . . . . . . . . . 522

9.3. Hegels Afrika-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525

9.3.1. Hegel und Haiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526

9.3.2. Afrika in der Philosophie der Weltgeschichte . . . 528

9.4. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530

 

Kapitel 10 – Arabisch-islamische Philosophie: Das Beispiel

Aḥmad Bābā aus Timbuktu

 

10.1. Die Bibliotheken von Timbuktu . . . . . . . . . . . . . . . 542

10.2. Aḥmad Bābā und die Frage der Sklaverei . . . . . . . 553

10.2.1. Haltungen zur Sklaverei

in der islamischen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556

10.2.2. Der Miʿrāǧ aṣ-ṣuʿūd ilā nayl ḥukm

maǧlūb as-Sūdān . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560

10.3. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570

 

Kapitel 11 – Frauen in der Philosophiegeschichte

 

11.1. Herausforderungen einer feministischen

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585

11.2. Walatta Petros, Phillis Wheatley, Nana Asma’u –

und der Kanon der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602

11.2.1. Der Fall Nana Asma’u . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602

11.2.2. Wer ist eine Philosophin? – Zu den Fallbeispielen 609

11.3. Konsequenzen für die

Philosophiegeschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623

 

Kapitel 12 – Philosophiegeschichtsschreibung der Zukunft

12.1. Zusammenfassung der dargelegten Probleme . . . . 630

12.2. Konsequenzen für den Philosophiebegriff . . . . . . . 638

12.3. Konsequenzen für eine

Philosophiegeschichtsschreibung in

globaler Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669

 

(Leseprobe:

https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/asset/a3e9263b0b034e13bab74a97170e9af5/philosophie-in-afrika_9783518299906_leseprobe.pdf?contentdisposition=inline)

 

zur Autorin:

Anke Graneß ist Privatdozentin für Philosophie und Geschäftsführerin des Reinhart-Koselleck-Projekts der DFG »Geschichte der Philosophie in globaler Perspektive« an der Universität Hildesheim.

 

 




Einordnung für die Bildungsarbeit

Philosophiegeschichte ist wesentlicher Bestandteil des Philosophieunterrichts, der gerne umfangreiche Darstellungen der Philosophiegeschichte nutzt. Dieses Buch macht darauf aufmerksam, dass auch die Philosophiegeschichtsschreibung in aller Regel eingeübten und lang praktizierten Wegen folgt. Gerade im Blick auf die Philosophiegeschichte Afrikas ergeben sich hier Defizite. Die Autorin formuliert: „Auch die in jüngerer Zeit erfolgte Öffnung der Philosophiegeschten Chinas, Indiens, Japans, der arabischen und der jüdischen Welt oder Afrikas im Rahmen mehrbändiger Werke zur Philosophiegeschichte oder auch in Einzelbänden setzt sich nicht kritisch mit der Geschichtlichkeit der Philosophiegeschichtsschreibung einer grundlegenden Kritik zu unterziehen. ... Rassismen und Zentrismen sowie der Ausschluss von Frauen aus der Philosophiegeschichtsschreibung werden weder mit Bezug auf europäischen noch mit Bezug auf außereuropäische Philosophietraditionen untersucht ...“ (S.632).

 

Hier können und sollten auch im Philosophieunterricht, der „Globales Lernen“ als Zielhorizont hat, neue Akzente gesetzt (und diskutiert) werden. Das Buch bietet Basisinformationen und Diskussionsansätze, sowie viele Anregungen zur eigenen Weiterarbeit (Studierende, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler in den Philosophiekursen der Sekundarstufe II).




Martin Geisz, März 2023