Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen

und Religionsunterricht


Buchhinweis


Stichworte: Religion, Weltreligionen, Religionsgeschichte, Globalisierung, Parlament der Weltreligionen













Bibliographische Angaben:

Stausberg, Michael: Die Heilsbringer. EINE GLOBALGESCHICHTE DER RELIGIONEN IM 20. JAHRHUNDERT. Verlag C.H.Beck. München 2020. ISBN:9783406755279



ZUM BUCH:



Was auch immer es sonst war, das 20. Jahrhundert war das In diesem Jahrhundert der Religionen. Offiziell eingeläutet - zumindest symbolisch - wurde diese neue Ära am 11. September 1893 auf der Weltausstellung in Chicago. ... The World’s Parliament of Religons“ (S.17). ... Das erste der zehn Ziele der Veranstaltung war: ‘Auf einer Konferenz, zum ersten Mal in der Geschichte, die führenden Repräsentanten der historischen Religionen der Welt zusammenzubringen.’“ Damit beginnt dieses Buch. Von dieser Veranstaltung (World’s Parliament of Religons), die sozusagen eine „pragmatische Universalisierung des Religionsbegriffs“, die auch ein nicht mehr nur auf die eigene Vorstellung von „wahrer Religion“ zur Voraussetzung hatte, „legt eine globale Perspektive auf eine Religionsgeschichte nahe“ (S.18). ...

Den 11. September 2001 sieht der Autor als das Ende einer Entwicklung über ein Jahrhundert . „Statt liberal-optimistischer Christen stand hier ein islamistisches Netzwerk um Osama bin Laden im Hintergrund. ... Mit dem 11. September 2001 trübte sich das Bild des Islam nachhaltig ein, und auch Religion allgemein wird seither - anders als von Organisatoren des der Weltparlaments der Weltreligionen [1893] - weniger als positive Möglichkeit, sondern vermehrt als Problem wahrgenommen“ (S.29).

Zwischen diesen beiden „Polen“ entwirft das Buch Religionsgeschichte im 20. Jahrhundert als eine Geschichte dargestellt in der Beschäftigung mit ganz unterschiedlichen Personen: „als ein multibiographisches Epochenprträt. Im Vordergrund stehen konkrete Menschen in ihrer Zeit … Es geht auch nicht darum,eventuelle Gesetzmäßigkeiten oder Verlaufslogiken nachzuweisen, sondern um ein Bild von den vielfältigen religiösen Neuaufbrüchenim 20. Jahrhundert, die Menschen auf der ganzen Welt bewegt haben.“ (S.30).

Die Inhaltsübersicht spiegelt die - vom Autor vorgenommene Schwerpunktbildung.1



INHALTSÜBERSICHT

Einleitung: Das Jahrhundert der Religionen

1 Mary Baker Eddy: Befreiung durch Christliche Wissenschaft
2 Quanah Parker: Die Peyote-Religion der Comanche-Indianer
3 Swami Vivekananda: Das spirituelle Indien und die Wiederentdeckung des Yoga
4 Kang Youwei: Konfuzius und die Vision der Großen Gleichheit
5 Lew Tolstoi: Eine entzauberte Universalreligion
6 Annie Besant: Theosophie als eine neue Weltreligion
7 Rudolf Steiner: Höhere Erkenntnis durch Anthroposophie
8 Henry Steel Olcott und Anagarika Dharmapala: Die Synthese eines neuen Buddhismus
9 Pierre de Coubertin: Olympische Spiele und die Religion des Sports
10 William Seymour und Aimee Semple McPherson: Die Pfi ngstbewegung – Ekstase und Entertainment
11 Mahatma Gandhi: Wahrheit als Lebensexperiment
12 Theodor Herzl und Muhammad Iqbal: Zwei Staatsgründungen und ihre geistigen Väter
13 Veer Savarkar: Hindutva – Heiliges Indien
14 Aleister Crowley: Magick, Wille, Sex
15 Tirumala Krishnamacharya und B. K. S. Iyengar: Vom Yoga zur post-religiösen Wellness
16 Daisetz Teitaro Suzuki: Zen – Universalformel des Gelingens
17 Carl Gustav Jung: Psychologie als Heilsweg
18 Adolf Hitler: Politik als Glaube, Vernichtung als Erlösung
19 Solomon Schechter und Mordechai Kaplan: Gelehrte Rekonstruktionen des Judentums
20 Bhimrao Ambedkar: Vom Hinduismus zum Buddhismus – Religionswechsel als Emanzipation
21 Anandamayi Ma: Mutter, Göttin, Guru, Heilige
22 Hasan al-Banna und Sayyid Qutb: Märtyrer der Brüderlichkeit
23 Norman Vincent Peale: Religion als Lebenshilfe
24 C. S. Lewis und J. R. R. Tolkien: Mythos und Fantasy
25 L. Ron Hubbard: Geschäftsmodell für die totale Befreiung
26 Mao Zedong: Religionsdemontage und Vergötterung
27 Martin Luther King: Der unvollendete Kampf gegen den Rassismus
28 Alfred Loisy und Gustavo Gutiérrez: Vom Modernismus zur BefreiungsTheologie
29 Karl Barth und Paul Tillich: Zwischen Kultur und Offenbarung
30 Billy Graham: Die individuelle Glaubensentscheidung als globales Medienereignis
31 Sathya Sai Baba: Göttliches Geben und Nehmen
32 The Beatles: Musik, Rausch, Meditation
33 Bob Marley: Positive Vibrations
34 Carl Sagan, Stanley Kubrick, Steven Spielberg: Außerirdische Erlöser
35 Menachem Mendel Schneerson: Der Messias und seine Ausgesandten
36 Ruhollah Musavi Chomeini: Die Herrschaft des Rechtsgelehrten
37 Johannes Paul II.: Weltreisender an der Jahrtausendwende
38 Mutter Teresa: Heiligkeit am Abgrund
39 Der 14. Dalai Lama: Jenseits von Tibet
40 Jim Jones, David Koresh, Asahara Shoku: Endzeiterwartungen und Gewaltexzesse
41 Bhagwan Shree Rajneesh: Die Lächerlichkeit der Erleuchtung
42 Madalyn Murray O’Hair: Militanter Atheismus als Lebensaufgabe
43 Benny Hinn und Reinhard Bonnke: Fernsehprediger, Wunderheiler, Kreuzzügler
44 Ikeda Daisaku: Das Lotus-Sutra und die humane Revolution
45 Paulo Coelho: Magier auf dem Weg zum wahren Selbst
46 Osama bin Laden: Der globale Krieg der Religionen
47 Thich Nhat Hanh: Engagierter Buddhismus und Achtsamkeit
zum Schluss: Religion ist auch nicht mehr, was sie einmal war

zum Autor:

Michael Stausberg (*1966) ist seit 2004 Professor für Religionswissenschaft an der Universität Bergen, Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften und europäischer Herausgeber der internationalen Fachzeitschrift «Religion».




Einordnung für die Bildungsarbeit

Religion und Religionen sind in vielen Zusammenhängen Thema in den Bemühungen um Globales Lernen (von der Politischen Bildung bis zu den Fächern Religion, Philosophie und Ethik).

Diese „Globalgeschichte der Religionen im 20. Jahrhundert“ leistet wichtige Beiträge zum Themenfeld. Die Besonderheit liegt darin, dass sie nicht im Stil klassischer Religionsgeschichte ein Gesamtbild entwerfen will, sondern (mit Beiträgen zu prägenden Akteuren im Feld von Reli-gionen und Weltanschauungen) deutliche – ganz gegensätzliche Akzente - setzt und vor allem nicht den Blick nicht nur auf die klassischen Weltreligionen (mit ihren Wahrheits- und Heilsansprüchen), sondern mit einem deutlichen Blick auf andere Entwicklungsmöglichkeiten von religiösen Bewegungen und Weltanschauungen ganz eigene Akzente. Dies sollte viele (auch kontroverse) Diskussionen möglich machen.

Dieser Zugang weitet auch die Perspektive für die klassischen Vorgaben für den Umgang mit Religion in Lehrplänen, Lehrer*innenausbildung und Unterrichtsmaterialien. Ich empfehle das Buch für Schulbibliotheken der Schulen mit Sekundarstufe II (für Studierende, Lehrkräfte, Schüler*innen aus den Kursen der Sekundarstufe II).




Martin Geisz, 2020



1„Das 20. Jahrhundert war auch in religiöser Hinsicht ein Zeitalter der Extreme. Heilsbringer verkündeten religiöse Neuaufbrüche, die eingespielte Muster überwanden. Leo Tolstoi schuf den Prototyp einer ethischen Universalreligion. Östliche Lehrer verbreiteten im Westen ihre postreligiösen Konzepte von Zen, Yoga oder Achtsamkeit. Für Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Bob Marley war Religion der Ausgangspunkt für politische Befreiung, während die Beatles Erlösung durch kosmische Liebe besangen und mit Transzendentaler Meditation experimentierten.

Neben den friedliebenden Welt- und Selbstverbesserern gab es gewaltbereite Prediger wie Osama bin Laden oder Jim Jones, deren Taten für Entrüstung sorgten. Billy Graham und Papst Johannes Paul II. füllten weltweit Stadien, und der Dalai Lama spricht Menschen jenseits traditioneller religiöser Bindungen an. Das gilt erst recht für die Literaten, Filmregisseure, Psychologen und Physiker, die als religiöse Sinnstifter auftraten.“ (Quelle: https://www.chbeck.de/heilsbringer/product/30927492 Aufruf: 24.11.2020)