Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen

und Religionsunterricht


Buchhinweis


Stichworte: Weltreligionen, Aufklärung, Islam, aufgeklärter Islam, fundamentalistischer Islam, Demokratie








Bibliographische Angaben:



Lale Akgün: Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime. Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland. Alibri Verlag. Aschaffenburg 2018. 240 Seiten, ISBN 978-3-86569-298-6






Zum Buch:












Das Buch stellt sich der Situation, dass einerseits das Bild des Islam in Deutschland mittlerweile von Kopftuch tragenden Frauen und jungen Männern in salafistischem Outfit bestimmt wird, es andererseits aber auch in Deutschland einen aufgeklärten Islam gibt, der sich den Grundsätzen der Aufklärung verpflichtet fühlt und dessen Interpretation des Islam, die nicht mit individueller Freiheit und Gleichberechtigung kollidiert.

Dazu werden die Gesichter des politischen Islams und Mechanismen, die dazu führen, dass orthodoxe Strömungen ihren Einfluss ausweiten in den Blick genommen. Die Autorin – gesellschaftlich und politisch engagiert - reflektiert gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die einen liberalen Islam begünstigen würden, und fordert einen säkularen Staat, in dem alle Religionen ihren Platz haben und gleichberechtigt behandelt werden, aber nicht das öffentliche Leben bestimmen können.

Einen wichtigen Bezugspunkt ihrer Arbeit formuliert sie im ersten Kapitel so: „Religion soll nach den Vorstellungen des konservativ-orthodoxen Islams für Menschen muslimischen Glaubens der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens sein. Diese Vorstellung, von den Funktionären des orthodoxen Islams in die Welt gesetzt, wird von den meisten Nichtmuslimen in Deutschland unreflektiert übernommen, obwohl sie nicht der Realität entspricht. Muslime bilden in ihrer Gesamtheit die Palette von orthodox bis atheistisch ab, wie andere Menschen auch. Wie wäre es daher, wenn man Muslime ganz normal als Inländer sehen könnte, also als deutsche Bürger und nicht als „muslimische Mitbürger“? Dann würden die Nichtmuslime endlich erkennen und verstehen, dass gerade Muslime Angst haben vor einem Islam, der ihnen keine Luft zum Atmen lässt und auf eine wortwörtliche und mittelalterliche Lesart der religiösen Quellen, Koran und Sunna , setzt. Viele Muslime fürchten sich vor religiösen Eiferern, vor deren Intoleranz und Machtansprüchen. Denn sie erleben, wie die Eiferer Toleranz für sich reklamieren, gegen die eigenen Leute aber unbarmherzig sind, und wie die Umarmung der islamischen Funktionäre zum Zangengriff mutiert“ (S. 19). Den Gang ihrer Überlegungen und Argumentation spiegelt das Inhaltsverzeichnis.



Inhaltsverzeichnis

Thesen ......................................................................................... 10

1. Deutschland, deine Muslime ............................................. 13

1.1 Das Dauerthema der Republik: „Der Islam“ –

Worüber reden wir eigentlich? ....................................................... 13

1.2 Muslime in der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft – Die

Anfänge .......................................................................................... 20

1.3 Vom Privaten ins Politische –

Der Islam in Deutschland verändert sich ....................................... 22

1.4 Der paternalistische Blick auf die Muslime –

Brauche ich Schutz, weil ich Muslimin bin? ................................. 26

1.5 Was bedeutet Aufklärung? ............................................................. 29

1.6 Aufgeklärter Islam – europäischer Islam? ..................................... 35

1.7 Ist Aufklärung nur eine europäische Idee,

also „nix für Muslime“? ................................................................. 38

1.8 Zusammenfassung: Deutschland, seine Muslime

und die Aufklärung ........................................................................ 41

2. Von den Taliban bis Erdoğan –

Die vielen Gesichter des politischen Islams ...................... 43

2.1 „Islamismus“ oder „politischer Islam“ –

Wie nennen wir das Kind? ............................................................. 43

2.2 Was ist der politische Islam, und wer sind seine

wichtigsten Vertreter? .................................................................... 46

2.3 Die Einheit von Religion und Staat –

Das alte und das neue Kalifat ........................................................ 52

2.4 Exkurs – Der politische Islam auf leisen Pfoten: Fethullah Gülen

und seine Bewegung ...................................................................... 58

2.5 Ein viel benutztes Wort: Scharia –

Ein unbekanntes Wort: Fiqh ........................................................... 65

2.6 Islamische Demokratie – Demokratischer Islam? .......................... 71

2.7 Menschenrechte in sogenannten islamischen Demokratien .......... 73

2.8 Exkurs: Parallel zur Migration – Der politische Islam auf Missions-Tour

3. Die Reform des Islams – Eine Chimäre oder doch möglich? ... 79

3.1 Ob Reform oder Reformation – Wir brauchen Bewegung

in der islamischen Theologie ......................................................... 79

3.2 Was ist das Wort Gottes? – Theologische Grundlagen

einer liberalen Islamauslegung ...................................................... 88

3.3 Gott spricht nicht Arabisch .......................................................... 101

3.4 Exkurs: Das Manifest gegen den neuen Antisemitismus

in Frankreich ................................................................................ 106

3.5 Die „Reformfreudigen“ – Wer steht in Deutschland

hinter einem Reform-Islam? ........................................................ 109

3.6 Der liberale Islam als Assimilation? Die seltsame Kritik

an den Reformmuslimen in Deutschland ..................................... 116

3.7 Was wäre, wenn alles so bliebe, wie es ist? ................................. 118

3.8 Zusammenfassung: Was bleiben soll, muss sich ändern –

das gilt auch für den Islam ........................................................... 119

4. Exkurs – Aufgeklärte Mystiker im Islam: Der Bektaschi-Orden .....121

4.1 4 Tore und 40 Stufen .................................................................... 123

4.2 Die Bektaschi und die fünf Säulen des Islams ............................. 125

4.3 Tefsir-i Besmele (Die Interpretation der Basmala) ...................... 127

4.5. Zusammenfassung: Gott ist barmherzig –

und Islam ist der Weg zu Gott ...................................................... 130

5. Auf der vergeblichen Suche nach der ultimativen Lösung – Islam und Integrationspolitik ........................ 131

5.1 Gut gemeint, aber nicht immer gelungen:

Die Sache mit der Integration ...................................................... 131

5.2 Und jetzt geht’s los: Wir integrieren den Islam! .......................... 138

5.3 Die islamische Identitätsbewegung und die „Identitären“

als europäische Identitätsbewegung .............................................. 142

5.4 Islamische Identität mit Gewinnstreben –

Isolieren, Macht gewinnen, Geld verdienen ................................ 148

5.5 Das Integrationsverständnis der orthodoxen Muslime ................ 150

5.6 Wer spricht für die Muslime in Deutschland? ............................. 153

5.7 Die Islamverbände – Wer sie sind und wofür sie stehen ............. 155

5.8 Zusammenfassung: Islam und Integrationspolitik –

Ein „Pas de deux“ ohne Aussicht auf Erfolg ............................... 165

6. Die Schlüsselfrage – Die Rolle der Frau im Islam ........ 169

6.1 Ich will Assimilation und keine Integration, wenn es um

Frauenrechte geht! ....................................................................... 169

6.2 Wo ist der Platz der Frau? ............................................................ 173

6.3 Wem gehört der Körper der Frau? ............................................... 177

6.4 Wem gehört der Bauch der Frau? ................................................ 183

6.5 Wem gehört das Paradies? ........................................................... 186

6.6 Exkurs: Die Kölner Silvesternacht 2015/2016 ............................ 189

6.7 Das Kopftuch ist nicht irgendein Tuch, auch wenn das

in Deutschland oft behauptet wird ............................................... 193

6.8 Zusammenfassung: Die Frauenfrage ist nicht alles,

aber ohne die Lösung der Frauenfrage ist alles nichts! ............... 203

7. Platz da! – Hier kommen die aufgeklärten Muslime .... 205

7.1 Mehr Pluralität im Islam! ............................................................. 205

7.2 Mehr Säkularität! ......................................................................... 209

7.3 Eine neue Herausforderung: Deutscher Islam ............................. 215

7.4 Was heißt „deutscher“ Islam? ...................................................... 217

7.5 Woran werden wir den deutschen Islam erkennen? ..................... 221

7.6 Die Gegner einer solchen Vision stehen schon

Gewehr bei Fuß ............................................................................ 226

7.7 Zusammenfassung: Aus „Muslime in Deutschland“ wird

deutscher Islam“ – Kriegen wir das gemeinsam hin? ................ 229

8. Der persönliche Blick: Ich bin eine überzeugte Muslimin! ................................. 231

zur Autorin:

Lale Akgün wurde 1953 in Istanbul geboren. Nachdem sie lange in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Köln gearbeitet und anschließend das Landeszentrum für Zuwanderung NRW aufgebaut hatte, saß sie ab 2002 zwei Legislaturperioden im Bundestag (SPD). Anschließend arbeitete sie in der Staatskanzlei des Landes NRW, seit November 2017 ist sie Senior Researcher an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. 2008 erschien ihr Bestseller Tante Semra im Leberkäseland, der auch verfilmt wurde.“1



Einordnung für die Bildungsarbeit



Globales Lernen hat in vielen Zusammenhängen Weltreligionen - ihre Bedeutung in Gesellschaften und natürlich auch ihre Gläubigen - im Blick. In diesem Buch thematisiert die Autorin einen Blickwinkel, der auch in der Bildungsarbeit oft genug zu kurz kommt: Die vielfältigen Versuche von Muslimen, gegen die fundamentalistischen Formen islamischen Glaubens einen „Aufgeklärten Islam“ Wirklichkeit werden zu lassen. Das Buch bietet vielfältige Informationen, blickt differenziert auf Hintergründe und formuliert vielfältige Zugänge zur Diskussion. Im Unterricht, der sich Globalem Lernen verpflichtet fühlt, könnte eine Diskussion (ab ca.Klasse 9) der von der Autorin formulierten (10.) These beginnen:

Die europäischen Demokratien können die Entwicklung einer liberalen Lesart des Islams unterstützen, indem sie den aufgeklärten Muslimen die Möglichkeit bieten,ihre Auslegung des Islams ohne Angst vor Repressalien zu leben und zu verbreiten“(S. 11).



Martin Geisz, Januar 2019



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