Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen



Buchhinweis


Stichworte: Philosophie, Theologie, Weltreligionen, Religionskritik










Bibliographische Angaben:


Peter Sloterdijk: Nach Gott. Glaubens- und Unglaubensversuche.

Suhrkamp Verlag. Berlin 2017. ISBN: 978­3­518­42632­6






Zum Buch:












Dieses Buch versammelt Aufsätze, Vorträge und zum Teil bereits erschienene Texte zum Themenschwerpunkt „Nach Gott“. Nicht die (eher theologische) Frage nach der Existenz eines göttlichen Wesens – philosophisch auch in vielen metaphysischen Ansätzen durchdacht, bisweilen gar in der Form eines Beweises vorgelegt – steht im Mittelpunkt, sondern die Frage, was jetzt nach der „Götterdämmerung“ als Möglichkeit für die Menschheit (übrig) bleibt. – Es geht im Wesentlichen um Religionskritik und ihre Folgen.

Die beiden wichtigsten Attribute des abendländisch-monotheistischen Gottes sind Allmacht und Allwissenheit.

Offenbarungsreligionen bieten für Sloterdijk vor allem Welt-, und Menschenverachtung, besonders auch die großen monotheistischen Religionen. Allmacht und Allwissenheit werden hier Gott zugewiesen und das wird zum Problem. Er formuliert: „In ihrem suprematistischen Eifer hatten die religiösen Theologen darauf bestanden, Gott gleichzeitig mit den strahlendsten Attributen zu bekleiden: Allmacht und Allwissenheit. Sie bedachten nicht, daß sie mit der simultanen Proklamation dieser Eigenschaften einen Real-Widerspruch hochexplosiver Natur ins Höchste implantierten: Entweder ist Gott allmächtig, dann bleibt sein schöpferischer Wille in aller Zukunft für Neues frei und kann von seinem Wissen immer nur nachträglich gespiegelt werden; oder er ist allwissend, dann müßte er all seine Schaffens-Macht verbraucht haben; nur so dürfte er auf das Universum des Gewesen-Seins in einem ewigen Feierabend zurückschauen“ (S.14).

Damit liegt das Problem offen – Peter Sloterdijk spricht von der „Götterdämmerung“, die begonnen hat und den denkenden Menschen anstatt Gottes nach einer langen Entwicklung im Zentrum sieht. „Apokalyptisches Denken“ und ebenso die „Mystik“ beides „Formen“ von Religion und Religiosität in den Offenbarungsreligionen können dies nicht aufhalten: „Die religiösen Apokalypsen handeln jedoch in der Regel nicht von den wirklichen »letzten Dingen«, sie schwelgen in der Schilderung von Tumulten vor dem Eintritt der großen Ruhe. Wer solche Botschaften wie Wahrheiten akzeptiert, darf sich einbilden, an der Gesamtansicht vom Ende her vorausgreifend teilzuhaben. Die Sphären solcher Vorstellungen nennen sich »Glaubenswelten«. Sie werden geschaffen, um die Spanne von der Jetztzeit bis in die Ewigkeit zu überbrücken. Der Gläubige bleibt dennoch dem Gesetz des Unterwegsseins im Vorläufigen unterworfen. Er weiß, er kann Gott nur einholen, indem er mit ihm im Tod ontologisch gleichrangig wird. Das gilt für das alte Indien wie für Alteuropa, und für die Domänen des Islam nicht minder“ (S.10f.). Einige Seiten später fügt er im Blick auf den Islam noch hinzu: „Während aber die jüngere christliche Theologie, die protestantische vor allem, sich zur Zukunftsoffenheit der Moderne bekehrt und sich mit Gottes Allmachtsverlust mehr oder weniger stillschweigend abgefunden hat, macht der aktuelle Islam von Allahs Allmacht weiter viel Aufhebens. Doch da auch Allah längst zu Neuem unfähig geworden ist und an seine Schöpfer-Vergangenheit fixiert bleibt, kann er seine vorgeblich weiterhin virulente Allmacht ausschließlich durch den Willen zur Auslöschung verworfener Geschöpfe unter Beweis stellen lassen“ (S. 14 f.).

Das Inhaltsverzeichnis spiegelt weitere Schwerpunkt der in diesem Buch gesammelten Texte zum Themenfeld1.



Inhalt

1 Götterdämmerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Ist die Welt bejahbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3 Die wahre Irrlehre: Gnosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4 Mir näher als ich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

5 Der Bastard Gottes: Die Jesus-Zäsur . . . . . . . . . . . . 176

6 Menschenverbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

7 Epochen der Beseelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

8 Latenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

9 Der mystische Imperativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

10 Absoluter und kategorischer Imperativ . . . . . . . . . . 300

11 Neuigkeiten über den Willen zum Glauben . . . . . . . 308

12 Chancen im Ungeheuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363






Einordnung für die Bildungsarbeit



Religion, Religionskritik und Überlegungen zur Bedeutung der Arbeitsergebnisse in der Gegenwart sind Thema im Philosophie - und Religionsunterricht. An den Positionen Sloterdijks – eines der namhaften Philosophen der Gegenwart - wird der Unterricht nicht vorbeikommen. Dieses Buch bietet mit seinen unterschiedlichen Einstiegen eine gute Grundlage zur Beschäftigung mit seinen Positionen – und natürlich auch zur kontroversen Diskussionen (für Studierende, Lehrkräfte und fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler in den Leistungskursen der Sekundarstufe II).




Martin Geisz, September 2017



1Die Website des Verlags zum Buch formuliert dazu:

In seinem epochemachenden Buch Globen, in dem die Globalisierung von ihren Anfängen bis zur (vorläufigen) Entfaltung Ende des 20. Jahrhunderts beschrieben wird, kennzeichnet Peter Sloterdijk Gott »als schlechthin höchste Quelle von Versicherungsschutz«. Diese in allen (zumindest monotheistischen) Religionen gültige Annahme setzt Paradoxien frei, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit verheerende Konsequenzen hatten: der seit der Jahrhundertwende triumphierende Fundamentalismus ist die schlimmste Auswirkung.

Welche Entwicklungen sind jedoch mit dem spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts virulenten Satz »Gott ist tot« verbunden? Ist er ein Philosophem ohne reale Effekte? Ist er die Beschreibung eines Mentalitätswandels? Ist er eine Diagnose des Geschehenden? Ist er als Prognose zu begreifen, die alle interreligiös begründeten Auseinandersetzungen beendet?

Peter Sloterdijk zieht in seinem neuen Buch zum ersten Mal alle Konsequenzen aus dem Satz »Gott ist tot«. Dabei kommen die Bereiche der aktuellen Theologie und Philosophie ebenso ins Spiel wie die mörderische Politik der Gegenwart oder die unmittelbaren kulturellen und wissenschaftlich-technischen Entwicklungen. (http://www.suhrkamp.de/buecher/nach_gott-peter_sloterdijk_42632.html – Aufruf 11.9.2017)