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Materialien „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ - Globales Lernen und Philosophie lernen
Buchhinweis
Stichworte: Natur, Klimakrise, Naturphilosophie, Gaia
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Bibliographische Angaben: |
Latour, Bruno: Kampf um Gaia. Acht Vorträge über das neue Klimaregime. Aus dem Französischen von Achim Russer und Bernd Schwibs Suhrkamp Verlag. Berlin 2017. ISBN: 978-3-518-58701-0 |
Zum Buch:
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Dass unser Verständnis von Natur nicht mehr von mythischen Vorstellungen, religiösen Überzeugungen und präwissenschaftlichen Annahmen geprägt sein sollte, ist eigentlich unumstritten. „Natur“, Naturgesetze“, „ natürliche Entwicklungen“ waren zumindest in den letzten drei Jahrhunderten fest in der Hand der sich immer weiter entwickelnden und immer neue Hypothesen formulierenden und tiefer in die Zusammenhänge eindringenden Naturwissenschaften. Der Mensch erforscht, findet Ergebnisse, die er sich für seine Zwecke und weiteren Entwicklungen zu Nutze macht.Für den Autor gibt es eine neue Entwicklungen, der Mensch beschreibt nicht mehr die statische Natur (die er von Grund auf beherrscht), sondern „ die Luft, die Meere, die Gletscher, das Klima, die Böden, alles interagiert mit uns“. Er spricht von der Epoche der Geohistorie, dem Zeitalter des Anthropozäns, das „das Risiko des Krieges aller gegen“ alle beinhaltet.1 Er formuliert seinen Ansatzpunkt in der Einleitung zum Buch so: „Mein ursprüngliches Fach – die Wissenschaftssoziologie, oder besser Wissenschaftsanthropologie – wird heute durch die weithin verbreitete Einsicht in ihrer Stellung gestärkt, daß die alte Verteilung der Gewichte zwischen Wissenschaft und Politik obsolet geworden ist. Ganz als hätte das vielgestaltige Eindringen der Klimafrage und, seltsamer noch, ihrer Verbindung mit dem Regieren uns von einem ANCIEN RÉGIME in ein NOUVEAU RÉGIME gelangen lassen – wobei von Klima und Regierung im weitesten Sinne die Rede sein soll, in dem Sinn, den die Geographiehistoriker nur noch innerhalb der seit langem aus der Mode gekommenen »Klimatheorie«Montesquieus benutzten. Plötzlich schwant allen, daß ein anderer Geist der Gesetze der Natur im Entstehen begriffen ist und daß wir beginnen müssen, ihn niederzuschreiben, wenn wir die von jenem NEUEN REGIME entfesselten Gewalten überleben wollen. Unser Werk versteht sich als Beitrag zu dieser kollektiven Unternehmung. GAIA wird hier als Anlaß einer Rückkehr zur ERDE aufgefaßt, einer Rückkehr, die es ermöglicht, den endlich bescheidener und irdischer definierten Wissenschaften, Politiken und Religionen eine differenziertere Version ihrer spezifischen Qualitäten abzuverlangen als bisher.“ (s. 17) „Die alte Natur verschwindet und weicht einem Wesen, das schwierig zu bestimmen ist. Es ist alles andere als stabil und besteht aus einer Reihe von Feedbackschleifen in ständiger Bewegung. Gaia ist sein Name. Latour argumentiert, dass die komplexe und mehrdeutige Gaia-Hypothese, wie sie von James Lovelock entwickelt wurde, ein idealer Weg ist, um die ethischen, politischen, theologischen und wissenschaftlichen Aspekte des nunmehr veralteten Begriffs der Natur zu entwirren. Er legt den Grundstein für eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Theologen, Aktivisten und Künstlern, während wir beginnen, mit dem neuen Klimaregime zu leben.“2
In acht Vorträgen legt er seinen Zugang dar. Die unterschiedlichen Zugänge spiegelt die Inhaltsübersicht.
INHALTSÜBERSICHT
EINLEITUNG
ERSTER VORTRAG
Über die Instabilität (des Begriffs) der NATUR
Die Beziehung zur Welt mutiert • Vier Arten, sich von der Ökologie verrückt machen zu lassen • Die Instabilität des Verhältnisses Natur/Kultur • Die Berufung auf die menschliche Natur • Der Rekurs auf die »natürliche Welt« • Die Pseudo- Kontroverse über das Klima leistet uns einen großen Dienst • »Sagt Euren Herren, daß die Wissenschaftler auf dem Kriegspfad sind!« •Wo versucht wird,von der »Natur« zur Welt überzuwechseln • Wie der Herausforderung zu begegnen ist
ZWEITER VORTRAG
Wie wir der Natur (kein) Leben einhauchen können
»Störende Wahrheiten« • Beschreiben, um zu alarmieren • Wo man sich auf die Wirkungsmächte konzentriert • Von der Schwierigkeit, Menschen von Nichtmenschen zu unterscheiden • »Und doch bewegt sie sich« • Eine Neufassung des Naturrechts • Über eine ärgerliche Tendenz,Ursache und Schöpfung zu verwechseln • Auf dem Weg zu einer Natur, die keine Religion mehr ist?
DRITTER VORTRAG-
GAIA, eine (endlich profane) Gestalt der NATUR
Galilei, Lovelock: Zwei symmetrische Entdeckungen • GAIA, ein mythischer Name, hochgefährlich für eine wissenschaftliche Theorie • Eine Parallele zu Pasteurs Mikroben • Auch bei Lovelock wimmelt es von Mikroakteuren • Wie läßt sich die Vorstellung von einem System vermeiden? • Die Organismen passen sich ihrer Umgebung nicht an, sie stellen sie her • Eine gewisse Komplikation des Darwinismus • Der Raum, ein Kind der Geschichte
VIERTER VORTRAG
Das Anthropozän und die Zerstörung (des Bilds) des GLOBUS
Das Anthropozän: eine Innovation •Mente etMalleo • Ein anfechtbarer Ausdruck für eine ungewisse Epoche • Eine ideale Gelegenheit, die Figuren MENSCH und NATUR zu sprengen • Sloterdijk oder der theologische Ursprung des Bilds der SPHÄRE • Die Vermischung von WISSENSCHAFT und GLOBUS • Tyrrell gegen Lovelock • Die Rückwirkungsschleifen zeichnen keinen GLOBUS • Endlich, ein neues Kompositionsprinzip • MELANCHOLIA oder das Ende des GLOBUS
FÜNFTER VORTRAG
Wie können die verschiedenen VÖLKER (der NATUR) einberufen werden?
Zwei Leviathane, zwei Kosmologien • Wie können wir den Krieg der Götter vermeiden? • Ein gefahrvolles diplomatisches Projekt • Die Unmöglichkeit der Einberufung eines »Volks der NATUR« • Wie können wir der Verhandlung eine Chance geben? • Über den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion • Unsicherheit über den Sinn des Worts »Ende« • Ein Vergleich der kämpfenden Kollektive • Verzicht auf jede natürliche Religion
SECHSTER VORTRAG
Wie soll man dem Zeitenende (k)ein Ende bereiten?
Das Schicksalsjahr • Stephen Toulmin und die wissenschaftliche Gegenrevolution • Auf der Suche nach dem religiösen Ursprung der »Enthemmung« • Das sonderbare Projekt, das Paradies auf Erden zu schaffen • Erik Voegelin und die Wandlungen des Gnostizismus • Über einen apokalyptischen Ursprung der Klimaskepsis • Vom Religiösen über das Säkulare zum Irdischen • Ein »Volk der GAIA«? • Was auf die Anschuldigung, »apokalyptische Reden« zu halten, zu antworten ist
SIEBTER VORTRAG-
Die Staaten (der NATUR) zwischen Krieg und Frieden
»Das Große Gehege« von Caspar David Friedrich • Das Ende des Staates der NATUR • Von der richtigen Dosierung Carl Schmitts • »Wir suchen den normativen Sinn der ERDE« • Vom Unterschied zwischen Krieg und polizeilicher Maßnahme • Wie sollen wir uns GAIA zuwenden? • Menschen gegen Erdverbundene • Lernen, die im Kampf befindlichen Territorien zu orten
ACHTER VORTRAG
Wie sollen die kämpfenden (natürlichen) Territorien regiert werden?
Im Verhandlungstheater, Les Amandiers, Mai • Lernen, sich ohne obersten Schlichter zu versammeln • Ausweitung der Konferenz auf nichtmenschliche Lebewesen •Multiplizierung der Beteiligten • Die kritischen Zonen abgrenzen • Den Sinn des Staats wiederfinden • Laudato si’! • EndlichGAIA gegenüber • »Land in Sicht!«
BIBLIOGRAPHIE
Leseprobe: http://www.suhrkamp.de/download/Blickinsbuch/9783518587010.pdf (Aufruf 6.8.2017)
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Einordnung für die Bildungsarbeit |
Das Verhältnis von Mensch und Natur bestimmt wichtige Entwicklungen. Für die Lehrpläne in den Schulen sind derzeit die aktuellen (Krisen) Entwicklungen und ihre Verläufe (inkl. politischer und gesellschaftlicher Änderungskampagnen) am ehesten Thema. Dieses Buch stellt die Frage grundsätzlicher. Es fragt nach den grundlegenden Änderungen in Denken und politischer Aktion (bis hin zu Formulierungen („Risiko eines Krieges“) in Zeiten des Anthropozän – ein gern gebrauchter, aber ganz unterschiedlich definierter Begriff. Mit den Positionen dieses Buches ergeben sich für Globales Lernen und Philosophie-lernen gleichermaßen neue Perspektiven und Ansatzpunkte. Der Begriff „Gaia“ (z.B. DRITTER VORTRAG- GAIA, eine (endlich profane) Gestalt der NATUR) wäre ein Anfang für ein erfolgversprechendes Unterrichtsprojekt in der Sekundarstufe II im Rahmen der politischen Bildung oder des Philosophieunterrichts. |
Martin Geisz, August 2017
1Siehe Klappentext
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