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Buchhinweis


Stichworte: Religion, Evolution, Religionskritik









Bibliographische Angaben:



Andreas Kilian: Der Pfauenschwanz der Gläubigen. Religiosität als kulturell verselbstständigtes Balzverhalten. 253 Seiten. Alibri Verlag Aschaffenburg 2014. ISBN 978-3-86569-119-4



Zum Buch:









Eine der Kernaussagen der Biologie, die sich aus der Evolutionstheorie ergeben, ist, dass die Evolution von einfachen hin zu komplexeren Organismen verläuft. Das komplexeste Wesen, welches man sich überhaupt vorstellen kann – ein unsterblicher, allwissender und allmächtiger Gott –, kann daher nicht einem Perpetuum mobile gleich am Anfang dieses Prozesses stehen. Dies ist nicht nur vollkommen unwahrscheinlich, sondern widerspricht schlichtweg dem Grundgedanken der Evolutionstheorie. Des Weiteren wird in der Wissenschaft davon ausgegangen, dass es kein Denken und somit auch kein Wissen ohne physikalische Grundlage, wie zum Beispiel ein Gehirn, geben kann. Ein immaterieller Gott kann daher weder intelligent und schon gar nicht allwissend sein. Diese fünf Sätze reichen aus, um einem wissenschaftlich denkenden Menschen deutlich zu machen, dass es keine Übereinstimmung von Evolutionstheorie und religiösen Glaubensinhalten hinsichtlich eines Schöpfergottes geben kann. Solche Aussagen können im Glauben parallel existieren, sie sind jedoch nicht logisch miteinander vereinbar. … Man muss sich daher entscheiden, ob man ein ernstzunehmender seriöser Wissenschaftler sein möchte, der die Evolution als selbstständigen Prozess anerkennt, oder ob man dem religiösen Glauben an einen eingreifenden Schöpfergott den Vorzug geben will. Und diese logisch notwendige Entweder-Oder-Entscheidung ist den meisten Wissenschaftlern auch bewusst“1 - gleich am Anfang benennt der Autor seinen Standort und seine wissenschaftliche Position, von der aus er sich mit der Religion beschäftigen will. In vier großen Abschnitten geht er die Auseinandersetzung an:

Er wendet sich gegen die weit verbreitete Position, dass Religionen und Religiosität biologisch entstanden und somit auch gesellschaftlich notwendig seien. Er bezweifelt die Ideen, die sich hinter einer „angeborenen Religiosität“ verbergen. Er spricht vom „Pfauenschwanz der Gläubigen“ und versteht es als „kulturell verselbstständigtes Balz-Imponierverhalten und Religionen als Argumentationsebenen zur Rechtfertigung für den stärksten Trieb in der Evolution.“2


  • Interpretationshoheit: Weltanschauungen treffen aufeinander *

  • Imaginalität: eine Fähigkeit *

  • Imponieren: drohen, angeben und prahlen *

  • Imaginierte Weltbilder: auch Sinn und Halt sind Begrenzungen 


Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt in groben Zügen die weiteren Argumentationslinien.


Inhaltsverzeichnis


1

Interpretationshoheit: Weltanschauungen treffen

aufeinander

.....................................................................9

1.1

Die Unterwanderung der Wissenschaften

...................................12

1.2

Religionswissenschaft ist eine Hilfswissenschaft für

die Theologien

.............................................................................14

1.3

Kreationismus: Ein Schöpfer muss schöpfen

..............................16

1.4

Nicht nur Glauben überwindet Widersprüche

.............................18

1.5

Die „trojanischen Pferde“ für Deutschland

................................20

1.6

Religiös motivierte Wissenschaftler

............................................22

2

Imaginalität: eine Fähigkeit zur Anpassung

..............

25

2.1 Die Mär von Gottes- und Religiositätsgenen

..................................26

2.1.1

Die Situation ist differenzierter

..............................................27

2.1.2

Hintergrundrauschen Drift

.....................................................31

2.1.3

Gen und Genprodukt

..............................................................32

2.1.4

Zwillingsstudien .....................................................................34

2.1.5

Tauben und ihr Aberglaube

...................................................35

2.1.6

Polygenetische Ursachen

.......................................................37

2.1.7

Wir sind alle Atheisten

...........................................................39

2.2 Was sind die Unterschiede in den Gehirnen?

.................................40

2.2.1

Fehlendes Kontrollgefühl macht Schafe

................................42

2.2.2

Die Lernturbos Angst und Glück

...........................................44

2.2.3

Dopamin

.................................................................................45

2.2.4

Unterschiede in Erfahrungen

.................................................47

2.3 Die Fähigkeit Imaginalität

..............................................................47

2.3.1

Fett für’s Gehirn

.....................................................................48

2.3.2

Entwicklungsstadien und Ängste

...........................................49

2.3.3

Geister“ unter dem Bett

........................................................51

2.3.4

Zeit- und Entwicklungsschalter

.............................................53

2.3.5

EDNAs: Wie und was soll gedacht werden

...........................54

2.3.6

Orientierung in artexterner und artinterner Umwelt

..............55

2.3.7

Ordnung, Sinn und Halt

.........................................................56

2.4 Was ist Imaginalität?

......................................................................57

2.4.1

Bisherige Ansätze

..................................................................58

2.4.2

So what’s new?

......................................................................

60

2.5 Variationen der imaginierten Weltanschauungen

...........................62

2.5.1

Aberglaube

.............................................................................62

2.5.2

Spiritualität

.............................................................................64

2.5.3

Ideologie und Zivilreligion

....................................................67

2.5.4

Religion

.................................................................................70

2.5.5

Religiosität

.............................................................................71

3

Kultur: ein sich selbst stabilisierender Prozess

.........73

3.1

Ein strapazierter Begriff

..............................................................73

3.2

Selbstorganisationsprozesse

........................................................

76

3.3

Soziale Systeme

...........................................................................79

3.4

Ein kleiner Unterschied mit großer Wirkung

..............................81

3.4.1

Genetisch oder nicht

..............................................................82

3.4.2

Belehrung ist auch Selbstzweck

.............................................85

3.5 Phasenübergänge

............................................................................86

3.5.1

Der Träger der Kultur

............................................................86

3.5.1.1 Daten und Information

........................................................86

3.5.1.2 Meme

..................................................................................88

3.5.2

Ausbreitungsdynamiken

........................................................91

3.5.2.1 Epidemien ohne Verhaltensänderung

.................................91

3.5.2.2 Wenn ich glaube zu wissen, was der andere tut

..................96

3.5.2.3 Manchmal entscheidet Unwissenheit

..................................99

3.6

Kultur aus einem Phasensprung

................................................100

3.6.1

Eine sich selbst tragende Epidemie

......................................100

3.6.2

Was ist Kultur?

....................................................................102

3.6.3

Indiziensuche

.......................................................................104

3.6.3.1 Sexuelle Selektion auf die Show

.......................................104

3.6.3.2 Indikatoren einer Selektion

...............................................105

3.6.3.3 Folgen eines Phasensprungs

..............................................109

4

Religiosität: der kulturelle Pfauenschwanz der

Gläubigen

....................................................................115

4.1

Theorien zu Religiosität und Religion

.......................................115

4.2

Sexuelle Selektion auf Angstindikatoren

..................................121

4.2.1

Sexuelle Selektion und Balz

................................................121

4.2.2

Selektiertes Verhalten

..........................................................123

4.2.3

Biologischer Nutzen

.............................................................125

4.3

Religiöses Imponier- und Balzverhalten

...................................127

4.3.1

Indizien bei Frauen

..............................................................128

4.3.2

Indizien bei Männern

...........................................................130

4.3.3

Indizien bei „Jugendlichen“

.................................................133

4.3.4

Balzarenen und Balzrufe

......................................................137

4.4

Die Pfauenschwanz-Hypothese

.................................................140

5

Imponieren: drohen, angeben und prahlen

.............143

5.1

Erkenntnisgewinn! Aus was?

....................................................143

5.2

Kosten-Nutzen-Bilanzen

...........................................................146

5.2.1

Der wahre Egoist ist Altruist

................................................146

5.2.2

Die Würde

............................................................................153

5.2.3

Empathie und Mitgefühl

....................................................156

5.2.4

Gut und Böse

........................................................................157

5.3

Gruppendynamiken

...................................................................164

5.3.1

Die Gruppe um der Gruppe willen

.......................................165

5.3.2

Erhalt der Gruppenstruktur

..................................................168

5.3.3

Die Lebensdauer von Gemeinschaften

................................170

5.4

Selektionsvorteile

......................................................................175

5.4.1

Gruppenselektion

.................................................................176

5.4.2

Multi-Level-Selektion

..........................................................179

5.4.3

Individualselektion

...............................................................181

5.5

Ausnahmen der Pfauenschwanz-Hypothese?

............................183

5.6

Was sind die Unterschiede?

.......................................................193

6

Imaginierte Weltbilder: auch Sinn und Halt

sind Begrenzungen

....................................................197

6.1

Indikatoren

.................................................................................198

6.1.1

Sprachen als Indikatoren

......................................................198

6.1.2

Mathematiken als Indikatoren

.............................................202

6.1.3

Kulte als Indikatoren

............................................................205

6.2

Die Dynamik des Stillstands

......................................................207

6.3

Biologisch begründbare Ziele?

..................................................211

7

Glossar

.........................................................................217

8

Register

........................................................................227

9

Weiterführende Literatur und Links .......................233


Probekapitel: http://www.alibri-buecher.de/docs/probe119.pdf



Einordnung für die Bildungsarbeit



Im Philosophieunterricht ist die Frage nach Gott und Religion in vielen Zusammenhängen Themenschwerpunkt. Dieses Buch ist ein gewichtiger Diskussionsbeitrag aus der Sicht eines Evolutionsbiologen, der seinen Standpunkt klar benennt. Schon die oben zitierte Stellungnahme könnte Ausgangspunkt von kontrovers zu führenden Diskussionen im Unterricht (ab ca. Klasse 11 – Philosophie- und Religionsunterricht) sein






Martin Geisz, Oktober 2014


1S.11

2Klappentext